Was mache ich eigentlich hier!?
Das Internet ist ein rauer Ort. Was einst als Mittel zum Austausch von Wissen und Bildung erfunden wurde, ist heute eine open Stage für Bullies. Es ist ein Freiraum für einen Umgangston, den man sich Angesicht zu Angesicht nicht erlauben würde. Das Medium schafft die nötige Abstraktion. Und möglicherweise bin auch ich ein Teil dieses Verfalls.
Sicher, ich würde nicht absichtlich unhöflich zu jemandem sein, aber meine Beiträge zielen schon auf Polarisation. Sie drücken oft eine einseitige Sicht auf die Welt aus – meine Meinung, meine Sicht. Ich bemühe mich nicht um Ausgewogenheit, sondern um ein Statement. Und wenn ich behaupte, dass Marketing schlecht für die Marke ist oder dass sich SEO rausgeschmissenes Geld ist, sind sicherlich viele Menschen anderer Meinung und einige fühlen sich vielleicht sogar beleidigt. Und ist das die Richtung, in die ich das Web führen möchte?
Andererseits möchte ich, dass meine Beiträge einseitig sind. Ich will die Grenzen meiner Meinung ausloten. Nicht um mir Feinde zu machen, sondern um mich mit mir selbst zu messen. Wenn ich mir selbst gegenüber nicht klare Haltungen aufstelle, fällte es mir auch schwer, diese zu vermitteln, wenn ich auf andere Meinungsräume treffe. Dieser Blog ist mein Tagebuch. Und seien wir mal ehrlich: Wer liest das überhaupt? Ich schreibe das nicht, um der Welt eine Botschaft zu senden, sondern um meine eigenen Gedanken zu klären. Und ist es nicht völlig legitim, mich selbst mit einigen extremeren Gedanken herauszufordern?
Sollte ich nicht netter sein?
Wenn ich bedauere, wie sich das Internet entwickelt, sollte ich dann nicht lieber in die andere Richtung gehen und einfach nett sein? Ähm, nein. Ich muss nicht netter sein und ich muss keine ausgewogene Sichtweise haben. Zumindest nicht in diesem Blog. Das Web ist ein Raum für Diskussionen, und die Vielfalt der Autoren und Meinungen ist das, was es großartig und besonders und zum demokratischsten aller Medien macht. Das ist eine gute Sache. Und es ist viel besser, meine Gedanken hier, in meinem eigenen Bereich, niederzuschreiben, als einen Streit im Kommentarbereich eines anderen Magazins anzufangen. Schließlich bin ich ja auch meine eigene Zielgruppe.
Hinzu kommt, dass wir als Designer gewohnt sind zu vereinfachen. Komplizierte Produkte auf eine simple Formel reduzieren, das Alleinstellungsmerkmal nach vorne bringen, erinnerbare Unterscheidungen herausarbeiten. So versuchen wir Kommunikation zu vereinfachen. Details kommen im zweiten Schritt. Und in der Arbeit im Team geht es oft darum, den Konsens zu hinterfragen und Ideen anzustoßen, die das Selbstverständliche neu bewerten. Meinung ist also vielleicht ein Designer-Problem.
Und drittens neige ich dazu, mich zu echauffieren. Ich habe eine eigene Meinung zu den Herausforderungen und Ideen, mit denen ich meine Tage verbringe. Ich ärgere mich über die Dinge, die besser laufen könnten, und ich freue mich, wenn ich etwas Neues lerne. Und das Internet sollte der richtige Ort sein, um darüber zu sprechen.