Rest in peace, Figma

Das mit Adobe geht doch nicht gut aus

Adobe hat mal wieder ein konkurrierendes Unternehmen gekauft. Für zwanzig Milliarden Dollar übernehmen sie „Figma“. Und ich befürchte, dass das nicht gut ausgeht für Figma. Zumindest zeigt das die Geschichte.

Kupferstich wie Seeleute einen Riesenoktopus jagen. Ein Seemann ruft "Los Männer, auf zur nächsten Trophäe!".

Zuerst Freehand

Alles begann mit Macromedia Freehand, als Adobe es 2005 für 3,4 Milliarden Dollar kaufte. Freehand war ein großartiges Programm. Die meisten Designer hatten eine klare Präferenz für Freehand obwohl auch damals schon Illustrator von Adobe sicher im Markt stand. Freehand verfügte über zahlreiche Funktionen, für die Illustrator Jahre brauchte, um sie zu implementieren, z. B. mehrere Seiten in einem Dokument. Bis heute fehlt Illustrator die Präzision bei der Arbeit mit Vektoren, die in Freehand sehr intuitiv gelöst war. Freehand hatte eine große Fangemeinde. Doch anstatt die beiden konkurrierenden Produkte Freehand und Illustrator zu verschmelzen, hat Adobe es einfach abgeschafft. Offensichtlich war es das Ziel des Ankaufs, die Konkurrenz verschwinden zu lassen.

Dann Flash

Und dann kam Macromedia Flash. Ich weiß, ich weiß, es ist gut, dass es jetzt verschwunden ist, aber warum? Flash von Macromedia (Teil der gleichen Übernahme wie Freehand) war ein absolut stimmiges Produkt. Es eröffnete dem Internet Möglichkeiten, die es zuvor nicht gegeben hatte. Und diese Flash-Websites waren leicht und leistungsstark. Es öffnete ein völlig neues Kapitel in der Oberflächen­gestaltung, der Interaktivität. Multimedia und Spiele im browser wurden durch Flash erst ermöglicht und gestalterisch hat sich die Web-Community erstmals klar von einer akademisch-funktionalen Ausrichtung entfernen können. Erst jetzt, 15 Jahre später, scheinen wir einen Punkt erreicht zu haben, an dem Designer in der Lage sind, mit neuen Technologien wie Java Script und Canvas genauso frei zu denken, wie sie es mit Flash taten.

Vermutlich war es nicht Adobes Ziel Flash vom Markt zu fegen, sondern ein gute, zukunftsfähiges Produkte in das Portfolio aufzunehmen. Allerdings hat Adobe nach der Übernahme einige schwere Fehler gemacht, die, zugegeben rückblickend, das Ende für Flash bedeuteten. So überarbeitete Adobe die Skriptsprache „Actionscript“ innerhalb weniger Jahre zwei mal ohne auf Abwärtskompatibilität zu achten, was es fast unmöglich machte, auf dem neuesten Stand zu bleiben. Gleichzeitig versäumten sie es, die bereits in Flash vorhandenen Funktionen wie 3D und Audio zu erweitern oder dringend benötigte Verbesserungen wie ein suchmaschinenlesbares Datenformat, ein adaptives Design für verschiedene Displaygrößen und natürlich die Sicherheit hervorzubringen. Adobe hat, als neuer Besitzer von Flash, deutlich bewiesen, dass sie entweder das Produkt oder die Benutzer:innen oder die Markt­anforderungen dieser Produkt­sparte nicht verstehen.

Und jetzt Figma

Ich vermute, dass es noch anderen, kleineren Zukäufen so ergangen ist wie Macromedia. Und daher ist meine Vorhersage für die Zukunft von Figma, dass es innerhalb weniger Jahre an Schwung verlieren und in eine Sackgasse geraten wird. Adobe wird nicht in der Lage sein, es nahtlos in sein Portfolio zu integrieren. Gleichzeitig werden Adobes eigene Produkte besser werden als das, was von Figma übrig geblieben sein wird. Die Innovation, mit der Figma sich als Außenseiter am Markt etabliert hat, wird in Adobes Produktwelt einfließen und dort verdorren. Und das ist nicht gut für das Web.

Warum stellt sich Adobe nicht einfach dem Wettbewerb?

Warum stellt sich Adobe nicht einfach der Konkurrenz und nimmt die Herausforderung an? Es wäre ein Leichtes, die eigenen Produkte so zu verbessern, dass sie einfach besser sind als die der Newcomer. Es wäre nur eine Frage der Ressourcen. Man muss sich nur mal vorstellen, Adobe hätte diese zwanzig Milliarden Dollar genommen und damit Entwickler eingestellt. Wenn sie ziemlich erfahrene Entwickler für 250 Dollar pro Stunde eingestellt und sie 250 Tage im Jahr hätten arbeiten lassen (mit freien Wochenenden und ein paar Tagen Urlaub), dann hätten sie ein Team von 1.000 Leuten für 40 Jahre bezahlen können. Was könnte man nicht alles erreichen, und wie gut könnten die Produkte von Adobe werden? Denn, sein wir mal ehrlich, es gibt noch viel Raum für Verbesserungen. Hier sind nur ein paar Ideen:

  • Warum hat jede Creative Cloud-Software unterschiedliche Tastatur-Shortcuts? Warum muss ich mir für jedes Produkt merken, wie ich eine Ebene in den Hintergrund verschiebe? Warum kann ich nicht einfach alle meine Tastaturkürzel an einem Ort bearbeiten und ein Häkchen auf „synchronisieren“ setzen?
  • Warum kann ich Photoshop- oder Illustrator-Dateien nicht per Drag-and-Drop in Adobe Experience Designer einfügen? Dort könnten sie als PNG- oder SVG-Dateien abgebildet sein und bei Bedarf könnte ich die Quelldatei bearbeiten. Und warum kann ich nicht einfach alle proprietären Adobe-Dateiformate ineinander verwenden?
  • Warum fühlen sich diese fancy neuronalen Photoshop-Filter an, als wäre es das Jahr 1999? Das Design des Userinterface folgt über­haupt­nicht den üblichen Adobe-Regeln, und die Verarbeitung dauert ewig, weil sie in der Cloud stattfindet. Ich fühle mich irgendwie an Kai’s Powertools von 1992 erinnert.
  • Warum ist es so schwer, mit mehreren Designer:innen gleichzeitig an einem Dokument zu arbeiten, und zwar in allen Adobe-Programmen? Mit Visual Studio Code zum Beispiel (und natürlich mit Figma) ist das ganz einfach.
  • Was zum Teufel ist Adobe Edge Animate?
  • Was ist jetzt eigentlich der Einsatzbereich von Photoshop? Ist es eine Software für Fotografen, für Maler und Digitalkünstler, für Designer? Es gibt einfach zu viele Funktionen, die über­einander­gestapelt sind.

Was könnte man besser machen?

Als Erstes sollte Adobe sein Portfolio aufräumen. Dann sollten sie ihr Oberflächendesign straffen und es über alle Produkte hinweg konsistent gestalten. Sie sollten ihre gesamte Software interoperabel machen und nahtlos ineinander­greifen lassen. Das wäre wirklich ein Mehrwert.

Danach können sie uns mit coolen Sachen wie Neuralfiltern und dem großartigen Aquarell­effekt von Adobe Fresco überraschen (dem übrigens erfolgreichere Konkurrenten wie ProCreate nicht das Wasser reichen können.).

Ich bin mir sicher, dass sie dafür keine 1.000 hochkarätigen Entwickler brauchen. Sie brauchen nur eine Vision davon, was für eine Marke sie sein wollen. Aber diese Entscheidung scheinen sie ja bereits getroffen zu haben.