Lass das Marketing nicht über die Marke entscheiden

Neulich konnte ich nicht anders, als mich über die Leute zu ärgern, die Entscheidungen über ihr Branding treffen. Wie kann es sein, dass denen die eigene Marke so egal ist?

Manchmal engagiere ich mich für Dinge, die andere überhaupt nicht interessieren. Zum Beispiel für Branding. Oder die wunderbare Kraft, die Kommuni­kation auf unser Wohl­befinden und unsere Emotionen hat. Oder die seltsame Wirkung, die Selbst­vertrauen auf unseren Erfolg hat. Und die über­raschende Auswirkung, die Marken auf all diese Faktoren haben.

Beim Marketing geht es darum, etwas zu verkaufen, aber beim Branding geht es darum, persönlich zu werden. Es geht darum, ein Symbol – und nur das ist ja eine Marke – mit Emotion und Bedeutung anzureichern. So lassen sich diese Werte multiplizieren und bewahren. Wie bei einem Song, in den man sein ganzes Talent, seine Leidenschaft und Erfahrung stecken, wenn man ihn im Studio aufnimmt. Und wenn die Leute ihn hören, fühlen sie die Emotion und Bedeutung. Jedes Mal, wenn sie den Song hören.

Die Wirkung von Branding lässt sich nicht leugnen.

Das Marketing lügt und die Werbung lügt. Sie übertreiben, verschweigen und reden Probleme schön. Alles Fake. Aber an der Wirkung der Marken­kommuni­kation ist etwas Wahres dran, das man nicht leugnen kann. Man kommt nicht umhin, sich einen ersten Eindruck von Menschen zu verschaffen, der auch auf dem Eindruck beruht, den man von den Marken hat, mit denen sie sich umgeben. Menschen drücken bestimmte Werte aus, mit den Geräten, die sie benutzen, den Produkten, die sie kaufen oder in dem Kleidungs­stil, den sie sich aussuchen.

Menschen wählen eine Marke ziemlich bewusst. Sie verbinden mit einer Marke eine bestimmte Persönlich­keit, bestimmte Werte und Eigen­schaften. Das ist der Haupt­zweck einer Marke, diese Eigen­schaften zu verkörpern und sie auf das Produkt zu übertragen. Und das ist etwas, was keine Marke vermeiden kann, egal ob sie es darauf anlegt oder nicht. Gleichzeitig können die Menschen nicht umhin, sich eine Meinung zu bilden. Selbst wenn sie versuchen, diese Hintertür ins Gehirn zu vermeiden, können sie das, was sie wissen, nicht ändern – das, was das Marketing ihnen erzählt hat. Starke Marken sorgen dafür, dass die Menschen ihre Botschaften hören, durch Werbung und Produkt[]-design, durch Zielgruppen­ansprache und Content Marketing. Starke Marken prägen die öffentliche Wahr­nehmung mit großem Aufwand.

Alles Lüge

Eine Marke erfindet sich selbst, und deshalb ist alles, was eine Marke repräsen­tiert, künstlich – und so könnte man argu­mentieren, dass es unwahr sein muss.

Aber nur weil diese Mecha­nismen von Menschen gemacht sind, sind sie deswegen nicht falsch oder hinter­hältig oder sogar unwirksam. Sie wirken sich sowohl auf die Menschen aus, die den Marken­botschaften glauben, als auch auf diejenigen, die ihnen nicht glauben. Die Marke mag künstlich sein, aber die Emotionen, die sie hervorruft, sind authentisch. Eine Marke funktioniert als Mittel der Kommuni­kation. Und das muss nicht zwangsläufig etwas Schlechtes sein.

Ich habe ein Fair­phone gekauft – „Das Smartphone, das einen sozialen Wandel bewirkt“. Und es war meine Entscheidung, die Werte anzunehmen, für die dieses Projekt steht. Aber sobald ich es hatte, hatte es auch mich. Wie könnte ich jemals ein Telefon kaufen, das von einem Hersteller mit weniger sozialer Integrität hergestellt würde? Jedes Mal, wenn ich mein Handy in die Hand nehme, erinnert es mich daran, wofür ich stehen möchte. Diese Marke sagt nicht nur anderen, wie ich denke, sondern auch mir selbst.

Marken spielen nicht nur Aussagen vor. Ihre kommuni­kative Wirkung ist eine reale Sache. Sie projizieren ihre Werte nicht nur auf Ihr Gegenüber, sondern verändern auch ihre Nutzer:innen. Und das macht uns als Kund:innen zu einem Teil der Marke, zu Verfechter:innen ihrer Werte, zu Anhänger:innen dessen, was wir uns entscheiden zu glauben. So verändern wir uns selbst durch die Auswahl dessen, was wir repräsentieren wollen.

Ich definiere meinen Style und mein Style definiert mich

Der Einfluss von Marken auf unsere Gefühle und unser Verhalten ist außer­gewöhn­lich. Vor allem, weil sie mit Produkten verbunden sind, die wir tagtäglich benutzen. Die Produkte sind eine all­gegen­wärtige Erinner­ung an die Eigen­schaften und Werte einer Marke. Sind wir erst einmal zu Kunden geworden, sprechen uns Marken nicht nur von Plakat­wänden und Anzeigen an, sondern sie können sich darauf verlassen, dass wir die Ent­scheidung getroffen haben, diese Marke zu einem Teil unserer Identität werden zu lassen.
Und das ist natürlich eine Verant­wortung, die die Marke übernehmen muss. Die Beziehung zwischen Kunde und Marke ist zerbrechlich. Und Kunden, die sich an eine Marke binden, reagieren sehr emotional, wenn diese Bindung ent­täuscht wird.

Warum werden Marken nicht besser beschützt

Diese Art von Verständ­nis für die Macht und Ver­ant­wort­ung einer Marke ist im Marketing nicht weit verbreitet. Normaler­weise besteht ihre erste Pflicht darin, für eine Steigerung des Umsatzes zu sorgen. Oft ist das Marketing sogar eine Sub-Unit des Vertriebs.

Und es mag ja sein: Was die Fachleute aus Marketing und Vertrieb tun, ist entscheidend für den Erfolg und die Lang­lebigkeit eines Unter­nehmens. Ihre Ideen und ihr Gespür für die Bedürf­nisse des Marktes können schwerlich überschätzt werden. Aber wenn man eine Marke aufbauen möchte, für die sich Menschen begeistern, sollten man besser einen Designer fragen.