Ach, gebt euch doch mal Mühe, mit euren Texten

Webtexte sind öde – muß das?

Ich habe gerade diesen Artikel auf Readymag gelesen, in dem es um leserfreundliche Typografie, technische Optimierung des Schriftrenderings und die Erstellung interessanter Inhalte geht. Guter Artikel, kann man lesen.

Aber auch wenn ich weiß, wie man einen Artikel ansprechend gestaltet und ihm eine Hierarchie und visuelle Struktur gibt, ändert das nichts daran, dass der eigentliche Text oft mies ist.

Dies ist also ein Aufruf an die Texter:innen und Redakteur:innen, die Unternehmensinhalte schreiben: Bitte macht es anders.

Ich arbeite in einem kleinen Designstudio. Wir werden eingestellt, um Dinge hübsch, interessant, einprägsam und benutzbar zu machen. Die Kunden verstehen das. Sie wissen, dass es unsere Aufgabe ist, die Werte und den Charakter einer Marke in einem visuellen Design zu erfassen. Als Logo, Website oder Drucksache. Was sie nicht als unsere Aufgabe ansehen, ist das Schreiben guter Texte. Und das tun wir als Agentur auch nicht.

Okay, von der Designagentur kommen die Texte also schon mal nicht. Wer kann die denn dann schreiben?

Vielleicht noch ein schneller Disclaimer

Wenn ich hier über Texte spreche, dann meine ich nicht Werbung. Vermutlich nicht einmal das große „Hallo“ auf der Startseite. Ich rede von den tatsächlichen Fakten und Erläuterungen, die Interessent:innen nach längerer Beschäftigung mit dem Unternehmen auf der Website finden. Vom Umfang her, dürfte das sogar den größten Anteil einer Corporate Website ausmachen. Das sind nicht die wichtigsten Texte, aber sie leisten Überzeugungsarbeit, wenn Besucher:innen dabei sind zu Kund:innen zu werden.

Externe Texter können es nicht

Das Schreiben von Unternehmenstexten erfordert ein gründliches Verständnis des Geschäftsmodells, des Charakters und der Kunden des Unternehmens. Als externer Berater hat man das normalerweise nicht. Es ist ein zeitaufwändiges und teures Unterfangen, sich da reinzuarbeiten. Das ist der Hauptgrund, warum externe Texter oft nicht in der Lage sind, einen zufriedenstellenden Text zu liefern. Oft sind die Fachleute im Unternehmen nicht einverstanden, mit den Texten der Website. Jedes Unternehmen hat seine eigene Art, Dinge zu sehen, zu benennen und zu beschreiben. Und wenn es an den Kern, den Arbeitsalltag geht, macht es doch einen Unterschied, wie genau der oder die Schreibende das Thema durchdrungen hat.

Außer Werbung und Blogging kann ein externer Autor also nicht viel tun.

Die Marketing­abteilung kann es nicht

Die meisten Marketing­mitarbeiter:innen sind keine Texter:innen. Das ist in Ordnung, denn das ist ja eigentlich nicht deren Aufgabe. Aber wenn ein Unter­nehmen niemanden hat, der explizit für das Schreiben von Texten eingestellt wurde, wird das häufig den Leuten vom Marketing anvertraut, weil die ja irgendwie Kommunikation machen.

Schließlich ist es oft das Marketing, das sich um PR und Presse kümmert. Ist das nicht eigentlich das gleiche? Eher nicht. Das Verfassen einer Pressemitteilung, das Pflegen von Kontakten, das Anbieten von Inhalten, die von Multiplikatoren übernommen werden sollen, und die ganze PR-Magie – das ist eine Kunst für sich. Aber mit guten Webtexten hat das nichts zu tun.

Mit einer einzigartigen Schreibweise, einer einprägsamen Stimme und genau der richtigen Menge an Informationen lässt sich viel erreichen. Texter und Texterinnen im Unternehmen wissen, wie Ihr Unternehmen sich selbst sieht und können sich darauf verlassen, den richtigen Ton zu treffen. In den meisten Fällen gibt es kein schriftliches Handbuch für die Unternehmenssprache, oft nicht einmal einen Styleguide. Texter:innen müssen sich auf Ihr eigenes Gespür für ihre Marke und ihre Kunden verlassen. Und das ist vielleicht ein bisschen zu viel verlangt, wenn man eigentlich einen anderen Job hat.

Trotzdem ist klar, dass sich die wenigsten Unternehmen wirkliche in-House Spezialisten, nur für die Arbeit mit kunden­gerichteten Texten leisten wollen. Am Ende bleibt es ein Side-Business für Personen, die andere Berufe haben. Und die müssen dann improvisieren. Ich glaube aber, dass es ein paar Regeln gibt, die Texte besonders und lesenswert machen.

Was kann man also tun, um die eigenen Texte zu verbessern?

Ich bin der Meinung, dass man als Autor:in kein lange Erfahrung mitbringen muss, um überzeugende Texte für das Internet zu verfassen. Um aber nicht in die falsche Richtung zu rennen, empfehle ich ein paar Eckpfeiler, die verhindern sollen, langweilige, gesichtslose und ineffektive Texte zu schreiben.

1. Verwende keine Personas

Stellen dir nicht irgendeine erfundene Person vor, die du dann versuchst, auf eine passende Weise anzusprechen. Wenn die Persona unecht ist, ist es die Ansprache auch. Betrachte lieber dich selbst als Referenz. Du bist ein Teil deines Unternehmens, näher an seinen Idealen und Leidenschaften kann es nicht werden. Vielleicht sprichst du dann eher die Sprache deines Unternehmens, als die der Kundinnen und Kunden, aber das ist wenigstens eine Sprache die passt, die deine Kund:innen erwarten. Bloß kein „hey Kids“-Effekt, bei dem man versucht, der Zielgruppe näher zu kommen, als ihr lieb ist.

2. Versuche echt zu sein.

Stellen dir vor, Sie selbst müssten deine eigenen Texte lesen. Wie würdest du dir wünschen, dass man mit dir spricht, und wie hättest du gerne die Informationen präsentiert? Hättest du gerne ab und zu ein wenig Verständnis für deine Situation als Kunde? Würdest du das Marketing-Geplapper gerne verschwinden sehen? Ich bin ein starker Befürworter davon, seinem Bauchgefühl zu vertrauen.

Ja, es ist schwer, der Versuchung zu widerstehen, es genau so zu machen wie alle anderen, einfach zu kopieren, was die Konkurrenz sagt. Aber es muss einen Grund dafür geben, dass man lieber zu dir und deinem Unternehmen geht und nicht zur Konkurrenz. Vielleicht ist das nur ein Unterton, eine Geschmacksache, ein Gefühl der Sympathie, das den Unterschied ausmacht. 

Natürlich solltest du nicht überkompensieren. Es ist nicht gut, die Probleme und Schwächen deines Unternehmens zu betonen. Sei ehrlich, aber freundlich. Sprich über dein Unternehmen wie über einen guten Freund, dessen Macken man kennt, aber den man zu schätzen weiß.

3. Traue den Zahlen nicht

Man kann leicht der Idee erliegen, dass sich Handlungs­anweisungen aus Statistiken ableiten lassen – neutral und darum zutreffend. Aber da bin ich skeptisch.

Kurzer Ausflug in das Thema „Datengestützte Entscheidungen“

Datengestützte Entscheidungen sind eine gute Sache. Aber es gibt zwei Faktoren zu beachten, bevor man sich auf diese Methode verlässt. 

a) Haben wir überhaupt genügend Daten? Eine durchschnittliche B2B-Unternehmens­website hat vielleicht 1.000 User:innen pro Monat, oder vielleicht 5.000 oder 10.000, wenn man Glück hat. Eine Absprungrate von 50 % ist nicht ungewöhnlich. Die Hälfte der Besucher:innen ist also sofort verloren. Wie viele der Nutzer:innen kommen überhaupt in die Nähe einer Konversion, kaufen das Produkt, füllen das Formular aus oder was auch immer? Wie viele echte Konversionen haben wir, und handelt es sich dabei um tatsächlich unterzeichnete Verträge oder nur um heiße Leads? Was ich damit sagen will, ist, dass wir uns nicht mit dem Vergleich von Zahlen täuschen sollten. Eine Conversion­rate von 10 % ist für die meisten B2B-Sites unglaublich gut, eher weniger. Eine Veränderung von 50 auf 60 Konversionen mag eine Steigerung von 20 % bedeuten, aber statistisch gesehen ist das nur ein Zufall.

b) Ziehen wir die richtigen Schlussfolgerungen? Zahlen werden immer interpretiert. Aber ist unsere Interpretation die einzig logische? Fast alle Daten können die eine oder die andere Entscheidung rechtfertigen und oft nutzen wir sie nur um unsere ohnehin bestehende Meinung zu argumentieren.
Wenn die durchschnittliche Verweildauer pro Seite hoch ist, ist das gut, weil die Leute sich für unsere Inhalte interessieren, oder ist es schlecht, weil sie nicht finden können, was sie suchen?
Wenn wir viele Kontakte über einen Chat haben, ist das gut, weil die Leute uns ansprechen, oder ist das schlecht, weil wir ihre Fragen nicht von vornherein beantwortet haben?
Vor allem wenn wir keine großen Zahlen haben, besteht die Gefahr von Fehlinterpretationen.

Soviel also dazu, warum ich nicht an Zahlen glaube und darum mein dritter Tipp: Erfahrung über Zahlen stellen. Nicht nur deine eigene Erfahrung als eine Art Experte für dein Unternehmen, sondern auch die Erfahrung deiner Kollegen. Schnelles, von mir aus auch unqualifiziertes, Feedback ist so viel besser als gar keines. Frage die Kollegen, wie sie den ersten Entwurf, den du geschrieben hast, finden. Führe kurze Iterationen durch und mache dir ein Bild davon, wie die Leute auf deine Ideen reagieren. Mache einen A/B-Test nicht mit den fünfzig Besuchern deiner Landing Page, sondern frage dein Gegenüber am Tisch, welche Version ihr oder ihm besser gefällt.

4. Erkläre nicht das Offensichtliche

Wenn du deine Besucher ernst nimmst, willst du nicht ihre Zeit vergeuden. Und du willst sie nicht für dumm verkaufen. Erkläre ihnen ihnen nicht, was sie bereits wissen, und sage ihnen nicht, was offensichtlich ist.

Das ist ein bisschen tricky, weil man natürlich davon ausgehen muss, dass Interessent:innen weniger von deinem Produkt oder deiner Dienst­leistung verstehen, als du. Du musst natürlich auch die Grundlagen erklären. Und ich schlage auch nicht vor, alles kurz und sachlich zu halten. Ein emotionales Leseerlebnis, Humor, ein offenes Wort oder überraschende Ehrlichkeit können allesamt unterhaltsame und überzeugende Web-Texte ausmachen. Was du halt nicht möchtest, ist die Leser:innen mit Plattitüden zu langweilen.

Eine Regel, die helfen kann, ist, sich zu fragen: „Würde es Sinn machen, dasGegenteil zu behaupten?“ Was meine ich damit? Wenn ich zum Beispiel schreibe: „Wir sind auf mittlere B2B-Kunden spezialisiert“, wäre ein sinnvolles Gegenteil „wir sind auf große B2C-Kunden spezialisiert“. Letzteres mag nicht auf dein Unternehmen zutreffen aber beide beschreiben einen bedeutsamen Unterschied, einen Charakterzug eines Unternehmens. 
Was schnell als eine Plattitüde entlarvt wird, ist eine Aussage wie: „Wir bieten hochwertige Dienstleistungen mit Leidenschaft“. Das Gegenteil eines solchen Statements wäre etwas wie: „Wir sind gelangweilte Hersteller von Mist“. Niemand würde das so schreiben. Und das ist der Grund, warum sich niemand für deinen Spruch von „hoher Qualität“ und „Leidenschaft“ interessiert: Weil es keinen Unterschied macht. Was bleibt, ist das Gefühl, dass du nichts zu sagen hast.

Wenn das, was du zu sagen, keinen Unterschied macht, versuche etwas anderes. Werde präziser und unterscheidbarer.  

Aber was weiß ich schon?

So, das sind meine Gedanken über effektives Texten. Aber ich bin nur ein Designer und das Schreiben ist nicht mein täglicher Job. Es scheint nur eine ziemliche Verschwendung von Potenzial zu sein, wenn das Schreiben so langweilig und vorhersehbar ist, wie es oft der Fall ist.

Es gibt Designer, die behaupten, im Internet würde ohnehin nicht gelesen, aber das sehe ich anders. Je näher Interessent:innen einer Entscheidung kommen, desto mehr gehen sie in die Tiefe und desto mehr brauchen sie Details. Und gerade an diesem Punkt lassen sich durch gute Texte Wettbewerbs­vorteile erarbeiten.